DLF und Ö1 berichten über erzählerische Wissenschaftskommunikation

Als ich das erste Mal versucht habe, ein Thema aus dem Bereich der Wissenschaft erzählerisch zu vermitteln, war das eine Herausforderung. Aber eine, die Spaß gemacht hat.

Ich bin dabei geblieben, habe mich mithilfe von Stipendien und Förderungen in den USA, in  Island,  aber auch durch viele kluge Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen weitergebildet, mich in Hunderte Studien zur Reizverarbeitung, zum Lernverhalten und zur Konzentrationsfähigkeit des Menschen eingelesen, aber auch dazu, was das alles mit dem Erzählen von Geschichten zu tun hat.

Trotzdem habe ich von Kolleginnen und Kollegen aus den Wissens-Ressorts deutschsprachiger Medien immer sinngemäß wieder den Satz gehört: »Erzählen und harte Wissenschaft, das verträgt sich nicht.«

Ich war damals schon überzeugt: Das ist ein Irrtum. Und durch meinen Weg konnte ich beweisen: Erzähltechniken und eine Wissenschaftskommunikation, die wahrhaftig ist, die den Fakten treu bleibt und dennoch mit dem Sog einer Geschichte daherkommt – das ist sehr wohl möglich.

Heute lehre ich zu erzählerischer Wissenschaftskommunikation unter anderem am Forschungszentrum für Wissenschaftskommunikation der Universität Tübingen und an journalistischen Fortbildungsstätten wie der Reporter Akademie in Berlin, der Reportageschule Reutlingen oder im Rahmen der Medien-Vielfalt-Förderung der Heinrich Böll-Stiftung und berate immer wieder führende Mitarbeiter von Forschungsinstitutionen wie etwa die Leibniz-Gemeinschaft darin, wie man auch Komplexes so erzählt, dass die Inhalte bei möglichst vielen Leuten ankommen.

Über meinen Ansatz, die Wissenschaftskommunikation zu verändern, darüber, wie positiv inzwischen viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler darauf reagieren, aber auch darüber, auf wie viele Widerstände ich schon gestoßen bin, und zeitweise immer noch stoße, darüber haben sowohl der Österreichische Rundfunk, Ö1, als auch Deutschlandfunk Kultur nun jeweils längere Sendungen veröffentlicht.

Hier zum Nachhören:

DLF – Darf Wissenschaft Geschichten erzählen?

Ö1 – Fakten mit Emotionen aufladen? Erzählerischer Wissenschaftsjournalismus.

Georg-von-Holtzbrinck-Preis für Wissenschaftsjournalismus

Größtmögliche Freude über den Georg-von-Holtzbrinck-Preis für Wissenschaftsjournalismus 2021!

Seit einigen Jahren widme ich mich der Aufgabe eine neue Form des Wissenschaftsjournalismus zu erarbeiten. Ein Journalismus, der seine Leserinnen und Leser auf eine Reise zu mehr Erkenntnis mitnimmt, statt sie in die Position nur passiven Konsums zu verbannen. Dafür nutze ich mein Wissen um Erzähltechniken: Eine gut erzählte wahre Geschichte vermeidet den Frontalunterricht, sie lädt Leserinnen und Leser ein und schenkt ihnen das Abenteuergefühl einer Exkursion.

Herausragendes Erzählen und tiefe Recherche, Geschichten mit Sog und die Belastbarkeit penibler Faktentreue – das sind doch Gegensätze, heißt es oft. Immer wieder spiegelten mir Kolleginnen und Kollegen gar: Beides miteinander vereinen zu wollen, das sei absurd. Fesselnder Erzähljournalismus und präziser Wissenschaftsjournalismus, das schließe sich nahezu aus.

Im vergangenen Jahr wurde mir der wichtigste Preis für Wissenschaftsjournalismus im deutschsprachigen Raum verliehen. Ausgezeichnet wurden stellvertretend für meine Arbeit drei Erzähltexte; erschienen sind sie in der ZEIT, im ZEITmagazin und Science Notes.

Foto: Phil Dera/ Holtzbrinck Berlin – Verleger Stefan von Holtzbrinck und Manuel Stark (li.)

Von der Holtzbrinck-Verlagsgruppe heißt es zur Jurybegründung:

Manuel Stark, Jg. 1992, freier Autor und Redakteur bei ZEIT Green, wird in Anerkennung seiner herausragenden wissenschaftsjournalistischen Arbeiten mit dem Georg von Holtzbrinck Preis für Wissenschaftsjournalismus 2021 in der Kategorie Nachwuchs ausgezeichnet. Manuel Starks Texte vermitteln auf vorbildliche Weise die Faszination für wissenschaftliche Forschung und überzeugen durch eine klare Sprache, tiefgehende Recherche und Vielseitigkeit bei der Themenwahl. So trägt er mit seinen Arbeiten dazu bei, Wissenschaft nicht nur zu vermitteln, sondern sie für eine breite Öffentlichkeit gut verständlich im Alltag zu verorten und ihre Bedeutung zu begründen.

Sein in DIE ZEIT veröffentlichter Beitrag „Was heißt hier ‚autistisch‘?“ untersucht gesellschaftliche Missverständnisse, erklärt differenziert den Erkenntnisstand der Forschung zum Asperger-Autismus um dann in beeindruckender Weise diese Erkenntnisse aus seiner persönlichen Erfahrung heraus zu beleuchten.

Das drängende Thema der abnehmenden Artenvielfalt vermittelt Manuel Stark in seinem im ZEITmagazin erschienen Text Gut gebrüllt, Hamster!“, indem er einen konkreten Konflikt zwischen dem Artenschutz des vom Aussterben bedrohten Feldhamsters einerseits und dem notwendigen Wohnungsbau andererseits eingehend beleuchtet.

Sein dritter Beitrag „Leben nach dem Tod“, bei Science Notes veröffentlicht, behandelt ebenfalls die Artenvielfalt und überrascht durch die Wahl eines bisher selten beleuchteten Wissenschaftsbereichs: die Kadaverökologie. Manuel Stark erklärt mit seinem Artikel nicht nur den Zusammenhang von mehr Tierkadavern im Wald und der Artenvielfalt, sondern gibt den Leser*innen darüber hinaus ein tiefes Verständnis des Ökosystems Wald.